Ein Vorreiter des Schweizer Impressionismus Julius Voegtli wurde am 29. März 1879 als Sohn eines Landarztes im zentralschweizerischen Malters geboren. Schon als Jugendlicher begann er zu malen und zu zeichnen. In der Sekundarschule lernte er Dekorationsmalerei, bevor er Unterricht an der Gewerbeschule in Basel nahm. Eine formellere Ausbildung erhielt Voegtli an der Akademie der Bildenden Künste in München, wo er sich 1902 einschrieb. Das Matrikelbuch ist noch erhalten, und Voegtlis Matrikelnummer (2554) ist zusammen mit seinem Namen, seinem Geburtsort, seinem Alter und seinem Fachgebiet noch zu sehen: „Wasserzeichnen“. An der Akademie studierte er bei dem berühmten deutschen Landschafts- und Genremaler Karl Raupp (1837-1918). Raupps Einfluss ist in den frühen Werken Voegtlis zu erkennen, da er in einem Stil arbeitet, der eher dem Realismus zuzuordnen ist. Der Künstler löste sich jedoch bald von diesem traditionellen Einfluss und wandte sich einem neuen Stil zu, der Elemente moderner Kunstströmungen wie Impressionismus, Postimpressionismus, Fauvismus und Expressionismus enthielt, die ihren Ursprung in Frankreich und Deutschland hatten und deren Ideen sich in ganz Europa verbreiteten. Die Akademie war auch ein Zentrum für eine neue Generation von Künstlern, die später zu den führenden Vertretern der modernen Kunst gehören sollten und von progressiven Lehrern wie Franz von Stuck (1863-1928) gefördert wurden. Zu den Absolventen der Akademie zu Voegtlis Zeiten gehörten moderne Visionäre wie Wassily Kandinsky (1866-1944), Giorgio de Chirico (1888-1978), Paul Klee (1879-1940) und Franz Marc (1880-1916). Die Einflüsse dieser Zeitgenossen und des dynamischen Umfelds, in dem sie ausgebildet wurden, sind vor allem in Voegtlis Verwendung leuchtender, kräftiger Farben und seiner schnellen, freien Pinselführung zu erkennen. Trotz seines beachtlichen schöpferischen Werks bestritt Voegtli seinen Lebensunterhalt in erster Linie als Dekorationsmaler und erhielt Aufträge für Fresken an öffentlichen Gebäuden; schliesslich wurde er Mitinhaber eines Malerbetriebs. Zahlreiche Male stellte er seine Familie dar, vor allem seine Frau Anna und seinen Sohn Hermann. Er engagierte sich auch in der Kommunalpolitik der Stadt Biel und bekleidete mehrere Ämter im Bereich der Infrastruktur und der Stadtplanung. Trotz seines engagierten Einsatzes in der Kommunalpolitik malte, zeichnete und schrieb der Künstler auch in späteren Jahren weiter. Voegtli wurde sogar noch zu Lebzeiten ausgestellt: 1931 zeigte die Galerie Benador in der Schweiz eine Ausstellung mit rund hundert Werken des Künstlers. In einer Rezension der lokalen Zeitung Express wurden die Werke gelobt und die offensichtliche Beherrschung des Mediums Aquarell durch den Künstler hervorgehoben. Der Rezensent lobte Voegtlis erfinderischen Umgang mit Farben und seine Fähigkeit, verschiedene Töne innerhalb eines einzigen Farbtons einzufangen, sowie seine Geschicklichkeit bei der Darstellung von hellem Licht und tiefen Schatten. Es wurde auch vermerkt, dass die Ausstellung viele „schnelle Verkäufe … mit mehr als bescheidenen Preisen“ zur Folge hatte, was beweist, dass das Werk des Künstlers damals ein interessiertes und wertschätzendes Publikum hatte. Voegtli stirbt am 21. November 1944 im Alter von 65 Jahren in Biel. Heute wird Julius Voegtli für sein früheres künstlerisches Schaffen in der Kunstwelt wieder stärker wahrgenommen. Im Winter 2017-2018 wurden zweiunddreissig Gemälde und Zeichnungen des Künstlers im Dounan Art Museum in Kunming, China, ausgestellt. Auch im Mark Rothko Art Centre in Daugavpils, Lettland, fand vom 16. November 2018 bis zum 13. Januar 2019 eine Ausstellung seiner Werke statt. Einige Werke von Voegtli sind auch im NMB Neues Museum Biel zu sehen. Im Jahr 2021 wird im Pashmin Art Publisher ein umfassendes Buch über das Leben und die Kunst von Julius Voegtli in drei Sprachen, Deutsch, Englisch und Chinesisch, erscheinen. Diese grosse Ausstellung im Hong Art Museum, Chongqing ist die grösste, die je in China stattgefunden hat.